Adventskalender 2023

Wie wollen wir zusammen lehren und lernen?


– Eine Provokation von Timo Kötzing-

Wir müssen reden. Das denke ich wirklich, wir reden viel zu wenig. Darüber, wie wir gemeinsam an diesem Institut leben wollen, wie wir das Lehren und das Lernen gestalten, das Prüfen und das Arbeiten. Im hektischen Alltagsstress finden wir nicht die Zeit, einen Schritt zurück zu gehen und einmal darüber zu reflektieren, wie wir unseren gemeinsamen Alltag gestalten wollen. Mit diesem Artikel möchte ich ein paar Startpunkte für eine Diskussion schaffen, ich möchte streiten, mit Niveau. Ein paar (provokante?) Meinungen dazu, wo wir uns gerade befinden.

  •  Der Bachelor-ITSE ist ein Massen-Studiengang. Ich höre manchmal, dass wir doch einen so tollen Betreuungsschlüssel haben; auf dem Papier mag das stimmen, bei Vorlesungen mit mehr als 50 Teilnehmenden werden diese trotzdem nicht individuell betreut.
  • Studierende können die Qualität von Lehre kaum und nur sehr ungenügend einschätzen. Ja, es gibt EvaP, aber “Die Themen der Veranstaltung waren gut ausgewählt.” sind frühestens am Ende des Studiums halbwegs durch Studierende beantwortbar, zumindest insofern es um Lehrqualität geht.
  • Die Wissenschaftler, die als Lehrende handeln, wurden nicht für die Lehre ausgebildet: Ein paar Workshops und Bücher machen keine Ausbildung.
  • Bulimielernen ist am HPI verbreitet. Was man so hört.
  • Wir haben einen Schweigevertrag bei großen Veranstaltungen: Studierende fordern keine anregenden Vorlesungen, Dozierende fordern kaum Mitdenken oder Mitarbeit. Komfortzone und so, hauptsache die Note stimmt. Aber was machen wir jetzt? Was können wir machen? Hier ein paar (provokante) Ideen.
  • Noten abschaffen, außer bei einer handvoll Grundveranstaltungen. Geht nicht, laut Gesetz und Erwartungen von Arbeitgebern? Doch, wir können einfach allen Teilnehmenden immer eine 1,0 geben, das ist in etwa äquivalent zur Abschaffung von Noten. Und sieht nachher bei Arbeitgebern gut aus.
  • Alle verbleibenden Klausuren in die erste Woche nach der Vorlesungszeit legen. “Dann gibt es keine Zeit zum Lernen!“ höre ich die Kritik. Doch, die Vorlesungszeit davor ist die Zeit zum Lernen. Nur Bulimielernen geht halt nicht mehr so gut.
  • Die Rollen von Lehrenden und Prüfenden trennen. Nicht die Dozierenden gestalten die Klausur, sondern andere entsprechend qualifizierte Personen.
  • Lehre von den Studierenden her denken. Wer kann für 90 Minuten Vortrag die Aufmerksamkeit halten? In welchen Fällen machen Frontalveranstaltungen Sinn? Brauchen wir wirklich mehr Hörsäle? Mehr D-Space wagen, mehr Kleingruppen, mehr Interaktion, mehr Lernvideos, selbstgemacht oder importiert. Lehre von Teams organisieren lassen, nicht von einzelnen.
  • Individuelle Lernpfade ermöglichen. Wir haben viele Technologien und nutzen wenige. Wir könnten ein Netz definieren an Wissens-chunks, mit Abhängigkeiten. Studierende könnten sich individuell das nächste Thema wählen und digital unterstützt Lehrmaterialien bekommen. Die Logistik wird schwierig? Stimmt, aber wenn Computer aktuell eine Sache schon sehr gut unterstützen können, dann ist das Logistik.
  • Einstufungstests für das Programmieren. Fremdsprachen lernen nicht alle mit den gleichen Kursen. Es gibt Einstufungstests und Kurse passend zum persönlichen Stand. Warum machen wir das mit Programmierung anders? Oder den Mathe-Grundkenntnissen?
  • Lehre evaluieren. Damit meine ich nicht, die Studierenden zu fragen, ob’s Spaß gemacht hat, sondern externe Sachverständige auf die Details schauen lassen.
  • Didaktikkurse verpflichtend. Für alle Dozierenden ohne entsprechendes Zertifikat, begleitend zu den eigenen Vorlesungen. “Alles schläft nur einer spricht, das nennt man Hochschulunterricht.”

Ich hoffe, das gilt nicht auch für diesen Meinungsbeitrag. Also: Her mit euren Gegenargumenten und konstruktiven Vorschlägen!

15 Antworten zu „Adventskalender 2023“

  1. Avatar von Antonio
    Antonio

    Lieber Timo,
    ich möchte auf deine Startpunkte inhaltlich erstmal gar nicht eingehen, denn ich glaube, dass der eigentliche Startpunkt keine Thesen sein müssen, sondern zuallererst ein gewisser Konsens was, und warum, man am HPI eigentlich lernen soll. Solange da nicht zumindest ein Bewustsein existiert ist eine Diskussion sicherlich unterhaltsam, aber meines erachtens nach nur limitiert produktiv.

    1. Avatar von Timo Kötzing

      Brauchen wir Konsens? Müssen alle am HPI wirklich das gleiche wollen? An den Konsens muss sich im Detail übrigens keine ProfessorIn halten: Freiheit von Lehre und Forschung und sowas. Ich würde deinen Vorschlag wie folgt verstehen wollen: Wir sollten uns mal über die Ziele zB von einem Bachelor-Studium am HPI unterhalten! Da bin ich gerne dabei 🙂

  2. Avatar von Claire
    Claire

    Willkommen zur 2. Weihnachtschallenge – wir sind auf eure Meinungen gespannt.

  3. Avatar von Paul
    Paul

    Vielen Dank Timo für diese Möglichkeit gemeinsam über Lehre zu diskutieren, wie du das selbst schon gesagt hast, passiert das leider viel zu wenig.

    • Hier habe ich keine direkte Meinung zu, in Vorlesungen mit mehr als 50 Teilnehmenden leidet ja auf jeden Fall das Betreuungsverhältnis im Gegensatz zu kleineren Veranstaltungen habe mich aber in meiner persönlichen Erfahrung dank vieler engagierter Tutorierender nie schlecht betreut gefühlt.

    • Ich glaube nicht dass die Studierenden die Qualität von Lehre schlecht einschätzen können (zumindest spätestens ab ein paar Semestern an der Uni). Ich denke aber das wir als Studierende oft Veranstaltungen viel zu nett bewerten, was dazu führt, dass sich das Spektrum nicht von 1.0 bis 5.0 sondern effektiv von 1.0 bis 3.3 bewegt. Deswegen sollten EvaP Bewertungen nicht wie normale Noten gelesen werden und 1.7 stellt hier meist schon eine mittelmäßige Veranstaltung. Ich weiß nicht, wie sehr das den Dozierenden klar ist.

    • Ja! Mehr Bildung im Bereich Lehre.

    • Ich persönlich bin Bulimielerner obwohl ich mir einrede, dass ich zumindest das Wichtigste längerfristig behalten kann. Warum bin ich Bulimielerner? Zum einen ist das glaube ich teils mit meinen persönlichen Lerntypen verbunden, aber was wahrscheinlich auch ein sehr großer Faktor ist, ist das viele Vorlesungen am HPI mir gefühlt nichts bringen. Man sitzt 90 min in einem Hörsaal, bei teils sehr fragwürdig fähigen Dozierenden, die etwas in einem Tempo beibringen was nicht unbedingt dem eigenen entspricht (ich finde Vorlesungsaufzeichnungen deswegen sehr klasse), eventuell ist da auch vieles dabei was weniger relevant ist für das was man am Ende können sollte. Was mich meist durch eine Vorlesung bringt und mir das nötige Verständnis vermittelt sind die Übungen. Sie sind handfester, wahrscheinlich auch klausurrelevanter, man erhält Feedback, sie sind teils verpflichtend, man sieht wofür man den Sachverhalt tatsächlich lernen sollte und das Wissen bleibt dann auch längerfristig in meinem Gedächtnis. Ich denke wir sollten hier mehr an Lehrbefähigung und Lehrformaten arbeiten.

    • Ich weiß nicht ob ich das einen Schweigevertrag nennen würde. Wir als Studierende sind nun mal angewiesen auf unsere Noten und sind auch oft nicht in der Position sowas direkt anzusprechen. Ich sehe da die Verantwortung viel mehr bei den Dozierenden. Zum einen müssen sie viel offenere Räume für Feedback schaffen (und vielleicht auch selbst danach fragen) zum anderen entsteht rege Interaktion bei Veranstaltungen dadurch das ein Dozierender Interesse und Begeisterung für das Thema schafft. Das ist hier leider viel zu selten der Fall. Auch mehr Austausch Formate, so wie dieses hier, tragen gut zu einer offeneren Feedbackkultur bei. Weswegen kommen die eigentlich fast immer nur von dir Timo?

    • Ja bitte! Noten sind ein veraltetes Konstrukt was von vielen Forschenden in dem Bereich auch als schlecht betrachtet wird. Sie sind ein Stressfaktor im Studium, machen Klausuren zum Hauptfokus des Lernens und tuen auch nicht das, wofür sie gedacht sind. Noten sind nicht vergleichbar und sagen nichts darüber aus, ob eine Person den Sachverhalt verstanden hat. Die selbe Note in einer Veranstaltung die komplexer ist als eine andere Veranstaltung sind auf dem Zeugnis das gleiche aber mit deutlich anderen Kenntnissen und Anstrengungen verbunden. Und es gibt viele Faktoren, die Benotungen beeinflussen wie z.B. eine schlecht gestellte Klausur, Prüfungsangst, falsches Format (z.B. Coden auf Papier), Stress oder ein schlechter Tag (sowohl beim der Person die die Klausur auswertet wie auch bei der Person die sie geschrieben hat), etc…

    • Als jemand der das bereits öfter gemacht hat, alle Klausuren in einer Woche sind auch noch bulimielernbar. Aber für die meisten Menschen, vor allem solche die gründlich Lernen und sich nochmal die Zeit nehmen wollen, über ihr gelerntes zu reflektieren, ist so eine Woche einfach ein sehr großer Stressfaktor, mit dem sich niemand wirklich wohl fühlt. Mal abgesehen davon, dass das danach oft noch ein sehr zehrendes Gefühl hinterlassen kann. Das Problem ist nicht die Zeit, die man hat, sich auf Klausuren vorzubereiten, sondern wie wichtig Klausuren aktuell für Veranstaltungen sind und wie der Lehrprozess bis dahin gestaltet ist.

    • Was ist denn eine andere entsprechend qualifizierte Person? Ich bin der Idee gegenüber offen, aber wer ist denn sonst so mit dem Stoff, der Struktur und Themen, sowie der Fragen, die im Laufe der Lehre auftreten vertraut, dass diese Person eine vernünftige Klausur aufstellen kann, die sich mit der Lehrveranstaltung deckt. Klausuren sollten ja eigentlich feststellen wie gut das gelehrte verstanden wurde.

    • 100%!

    • 100%!

    • Das sehe ich als sehr schwierig. Zum einen ist eine standardisierte Testkultur für Programmiersprachen nicht etabliert (ja es gibt Zertifikate, aber das ist nochmal was anderes) zum anderen hätte, das beim aktuellen Klima am HPI, vor allem in den ersten Bachelorsemestern (wo dies wahrscheinlich am sinnvollsten wäre) eher negative Auswirkungen. Hier herrscht oft noch ein gewisses Elitedenken und es ist bereits durchaus für viele Menschen und Personengruppen einschüchternd, wenn da neben ihnen einer erzählt welches tolle, komplexe System er gerade implementiert hat und wie viel besser im coden er doch ist. Wenn man, dass dann auch auf schwarz und weiß hat ist das noch schlechter für das Selbstwertgefühl. Ja die Idee von solchen Tests ist es ja gerade nicht mit anderen zu vergleichen, sondern einen Überblick zu geben wo man welche Veranstaltung belegen sollte, aber ich sehe bei unserer Kultur die Gefahr, dass das dazu führt das Leute eher mit der Informatik aufhören als das sie Einsteigerkurse besuchen.

    • Die Studierenden sich für Lehre ist unglaublich wichtig aber ja gerne auf Externe. Mehr Feedback ist mehr Feedback und vielleicht wird auf Externe ja auch nochmal anders gehört. Hier würde ich mir aber wünschen, dass Externes Feedback nicht im Vakuum passiert, sondern dass die Studierende da in irgendeiner Form mit reingezogen werden.

    • Ja bitte! Didaktik ist hier ein riesiges Problem, und sollte definitiv mehr ausgebaut werden. Als Professor*in kann man dafür aber nicht verpflichtet werden und hier liegt ja auch unser Problem. Die Personen die solche Schulungen am meisten brauchen, sind auch die die sich am meisten weigern auf Feedback zu hören oder zu diesen Kursen zu gehen. Hier meine Frage als Studierender, wie siehst du das? Hast du dafür schon Lösungsvorschläge? Es existieren momentan Professoren, die einfach nicht (genug) an guter Lehre interessiert sind.

    1. Avatar von Timo Kötzing

      Ich antworte mal selektiv auf ein paar Punkte:
      – Studierende bewerten Veranstaltungen zu nett: Ja! Das ist auch das, was ich mit dem Schweigevertrag gemeint habe: da wird nichts eingefordert. Was die Noten angeht: die Note für eine Lehrveranstaltung insgesamt ist da vielleicht interessant, viele der gestellten Fragen sind aber erstmal gar nicht dazu gedacht, die Lehrveranstaltung qualitativ zu bewerten: „Die Veranstaltung hat mir Spaß/Freude bereitet“, „Die Veranstaltung hat mich dazu motiviert, mich in diesem Themengebiet zu vertiefen.“, „Meine Vorkenntnisse reichten aus, um den Inhalten der Veranstaltung zu folgen.“, all diese Fragen sind wichtig und interessant, auch für die Verbesserung der Verantstaltung, aber im Zweifel kann eine DozentIn nicht viel dafür, wenn Vorkenntnisse nicht ausreichen.
      – Vorlesungen bringen nichts: bin ich auch bei dir. Ich habe einmal versucht, ohne Vorlesung auszukommen (und dafür doppeltes Tutorium plus Fragestunde), das wurde von den Studierenden nicht begrüßt. Es scheint da ein Bedürfnis zu geben, Inhalte live präsentiert zu bekommen (obwohl ich zustimme, dass die meisten dadurch nicht viel lernen).
      – Zum Elitedenken: Es gibt Studierenden im ersten Semester, die wissen sehr genau, dass sie nicht oder nur wenig programmieren können. Dann gibt es solche, die schon sehr gut programmieren können. Mitglieder beider Gruppen halten sich (zu Recht!) für schlau und mit sehr guter Auffassungsgabe ausgestattet, aber sie im selben Kurs zu unterrichten, bedeutet sie mit dem selben Maßstab zu beurteilen. Und das führt zur Frustration geboren aus Elitedenken und hetoregenem Vorwissen.
      – Klausuren sollen nicht nur feststellen, wie gut das Gelernte verstanden wurde. Sie sollen auch einen Standard etablieren, der gelehrt werden soll. Derzeit kann ich zum Beispiel die Hälfte der Mathe-Themen ausfallen lassen und mir eine entspannte Vorlesungszeit gönnen, dazu noch schlechte Übungen bereitstellen; wenn ich dann in der Klausur nur die gelehrte Hälfte der Themen überprüfe, und das auf niedrigem Niveau, merkt das niemand.
      – Eine Evaluation durch Externe wird nicht ohne Input durch Studierende sinnvoll sein, stimmt!
      – Zum Interesse von ProfessorInnen an Didaktik: Sie haben kein Interesse daran, man kann es nicht verpflichtend machen, und sie haben auch so genug zu tun. Sie sollen forschen und ihre Fachbereiche Management-mäßig betreuen, das ist schon mehr als ein full-time-job. Mein Vorschlag: stellt ihnen Personen zur Seite, die sich um die Didaktik kümmern. Ja, die ProfessorInnen geben die Inhalte und die Lernziele vor (letzteres gerne in Rücksprache den Didaktik-ExpertInnen), um die Details kümmert sich eine verdauerte PostDoctorandin (aber so wichtig wäre der „Dr.“ hier auch nicht).

  4. Avatar von Paul
    Paul

    Zum Thema Einstufungstests. Ideallerweise sind solche nicht nötig, wenn Vorlesungen aufeinander aufbauen und diese damit schon gewisse Grundkenntnisse attestieren. Aktuell ist das leider nicht der Fall, hier würde mehr Abstimmung zwischen den Dozierenden und ein gemeinsames Vorgehen deutlich mehr helfen als solche Zertifikate

    1. Avatar von Timo Kötzing

      Ich meinte vor allem im ersten Semester. Ich habe von viel Frust gehört, geboren daraus, dass Studierende mit wenig Vorkenntnissen gemeinsam unterrichtet wurden mit solchen, die schon sehr viel Vorwissen beim Studienanfang mitbringen.

      1. Avatar von Timo Kötzing

        Der Frust ist insbesondere bei den Ersties, und dort viel bei denjenigen, die noch nicht so viel können und gelesen haben, dass für den Bachelor-ITSE keine Programmier-Vorkenntnisse benötigt werden. Wenn dann trotzdem die Hälfte des Jahrgangs C-Programmierung, Schleifen, Funktionen, Vererbung usw schon lange können, wären da unterschiedliche Kurse eventuell besser.

  5. Avatar von Tim Cech

    Vielen Dank für den Beitrag!
    Da der Artikel mit „einer Provokation“ überschrieben ist, möchte ich auch mit einer Polemik antworten:

    Der Artikel beschäftigt sich mit Möglichkeiten, Lehre interessanter zu gestalten. Dieses Ansinnen teile ich, doch verliert sich der Artikel zu viel auf der formalen Ebene. Aus meiner Sicht können wir uns insbesondere darin verbessern, wirkliche Bildung zu betreiben. Wieso dürfen eigentlich nur Professoren und von ihnen abgesegnete Menschen Lehre betreiben? Wieso darf der Dekan entscheiden, wer eine Veranstaltung gibt? Es spricht aus meiner Sicht nichts gegen die Forderung erst ältere Semester entscheiden zu lassen, da sie besser überblicken können, was ihnen nützte. Aber lassen wir sie doch entscheiden, lassen wir Masterstudierende das Bachelorcurriculum mit designen, lassen wir PhD-Studierende, das Mastercurriculum mit gestalten.
    Wir haben so tolle Forschende und Studierende, fordert sie doch auf, Lehre zu betreiben, lasst ihnen Raum, gebt ihnen Ressourcen, mit Leidenschaft ihre Themen zu teilen. Gebt ihnen die Möglichkeit Lehrkonzepte einzureichen und durch ältere Peers Feedback einzuholen, welches konstruktiv darauf hinarbeitet, die Veranstaltung zu ermöglichen.
    Aber nein, wir lassen lieber dieselbe Veranstaltung immer wieder und wieder lesen, versteifen uns auf Titel und Prestige, um zu entscheiden wer lehren darf. Es steckt Wahrheit darin, dass man in der Forschung verankert sein sollte, um Lehre zu betreiben, aber das ist notwendig und nicht hinreichend. Gute Paper zu schreiben ist nicht korreliert damit gute Lehre zu betreiben. Drum lasst die Leute ran, die Lust drauf haben und das so unbürokratisch, konstruktiv und offen wie möglich!
    Und dann gebt den Lehrenden Perspektive! Zur Wahrheit gehört, dass wer gute Lehre betreiben will, Zeit davon abzwacken muss, die er für gute Forschung verwenden könnte. Die Forschung kann überall auf der Welt gewertschätzt werden, die Lehre nur vor Ort. Also wieso belohnen wir Menschen, die die Hochschullehre ernst nehmen, nicht damit ihnen Dauerstellen am HPI zu geben? Diese Kettenbefristung ist sonst der Todesstoß für Menschen, die gute Lehre betreiben wollen.
    Fordern wir die Studierenden, aber nicht mit der Autorität eines Dozierenden. Wir wollen mündige Menschen ausbilden und keine Fachidioten. Drum lernen wir von ihnen, während wir lehren, kommen wir mit ihnen ins Gespräch. Wieso gibt es eigentlich so wenige Seminare im Bachelor?
    Versuchen wir ihnen früh neue Perspektiven zu bauen, fordern wir sie auf mit anderen Fachbereichen – sogar anderen Wissenschaftsrichtungen – zu interagieren. Ich liebe das HPI, da die Studierenden hier so unglaublich sind, aber erkennen wir an, dass die Universität Potsdam nicht umsonst ihren exzellenten Ruf hat. Ein überfachlicher Wahlpflichtbereich wie an der HU Berlin wäre hier beispielsweise eine Idee. Einfach mal etwas, was nicht Informatik ist für die weitere Bildung!
    Betreiben wir mit ihnen Forschung, sobald sie bereit sind und nicht erst, wenn sie den ersten formellen Abschluss in den Händen halten. Wenn sie Lust auf einen solchen Kurs haben, wieso nicht schon im Bachelor in die Fachwissenschaft eintauchen? Vielleicht gewinnen wir so sogar neue Perspektiven für unsere eigene Forschung!
    Es bricht mir immer das Herz, wenn ich vor mich hin philosophiere und nur in nickende Gesichter starre und am Ende das Feedback bekomme, dass man es nicht verstanden hat. Ist es wirklich so mit Angst behaftet, mich herauszufordern, mit mir zu diskutieren? Ich möchte Studierende auch notentechnisch wertschätzen können, die sich das trauen.

    Nebenbei erwähnt, bei über 20 Professuren bald über 30 Professuren sollte es doch möglich sein, Grundlagenveranstaltungen zu duplizieren, sodass wir nicht über 50 Menschen pro Veranstaltung haben, oder?

    1. Avatar von Timo Kötzing

      Ich antworte auch hier mal selektiv auf ein paar Aspekte 🙂
      – Ich bin voll dabei, Studierende und Promovierende mit ins Boot zu holen um die Curricula zu gestalten. Das geschieht einerseits ja schon über die Studienkommission (StuKo). Die Details sind derzeit den ProfessorInnen überlassen (nicht dem Dekan, der soll nur die Studierbarkeit sicherstellen). Die ProfessorInnen (a) müssen die Hoheit behalten, das ist deutsches Grundgesetz (Freiheit von Forschung und Lehre); andererseits (b) sollten die Hoheit behalten (meine Meinung), um eine gewisse Qualität (auch in Richtung Forschungsausrichtung) aufrecht zu erhalten. Es stimmt, dass die jüngeren Generationen hier viel beitragen können. Du schreibst „Gebt ihnen die Möglichkeit Lehrkonzepte einzureichen und durch ältere Peers Feedback einzuholen“ — das finde ich einen exzellenten Vorschlag!
      – „Zur Wahrheit gehört, dass wer gute Lehre betreiben will, Zeit davon abzwacken muss, die er für gute Forschung verwenden könnte.“ — wohl wahr, siehe mein Lebenslauf. Ich kämpfe weiter für Dauerstellen im Mittelbau, insbesondere im Bereich Lehre.
      – Zu Seminaren und Gesprächen: finde ich spannend. Hast du hier konkrete Themenvorschläge? Für Mathematik sehe ich da nicht so viele Möglichkeiten, du meinst weichere Themen, PSKs oder Ethik oder sowas? „Es bricht mir immer das Herz, wenn ich vor mich hin philosophiere und nur in nickende Gesichter starre und am Ende das Feedback bekomme, dass man es nicht verstanden hat. Ist es wirklich so mit Angst behaftet, mich herauszufordern, mit mir zu diskutieren?“ — oder geht es dir doch um eine fachliche Diskussion? Da müssen die Studierenden ran, dass sie sich ein Gespräch mit den Dozierenden trauen. Das hat etwas damit zu tun, welche Atmosphäre gesetzt wird, auch mit dem Wissensvorspung der Dozierenden un damit, dass es halt doch häufig ein Richtig und ein Falsch gibt. Aber es hat eben auch damit etwas zu tun, das in Schule und großen Vorlesungen kein Interaktiver Stil gepflegt wird, das muss alles gelernt und geübt werden.
      – Zu „Grundlagenveranstaltungen duplizieren“: Da wäre ich strikt gegen. Meine Frau ist Professorin in Berlin, bei ihr wird das so gemacht. Dann werden Dozierende danach ausgewählt, wo etwas „einfacher“ ist, manchmal „wo man mehr lernt“. Die Vergleichbarkeit nimmt sowieso ab. Man stelle sich vor, statt PT1 im jährlichen Wechsel gibt es pro Jahr 2-3 Kurse von unterschiedlichen Dozierenden. Nun könnte man sagen, dass das alles abgestimmt werden solle. Aber mir schwebt mehr das folgende vor, was nicht so weit von deinem Vorschlag entfernt ist: statt zwei Dozierende jeweils ihr Süppchen machen zu lassen, macht ein Team aus Dozierenden die Lehrveranstaltung gemeinsam (da haben wir ja auch schon reichlich Präzendenzfälle). Dazu dann noch TutorInnen — als ich Mathe 2 mit 9 TutorInnen gehalten habe, und das ohne Vorlesung, waren das eigentlich 9 Kurse von 9 TutorInnen, aber durch mich abgestimmt. Also genau wie du vorschlägst die Studierenden die Vermittlung viel mehr in die Hand geben, ihnen dabei Unterstützung geben, sie koordinieren, einheitliches Material bereit stellen.

  6. Avatar von Michael Wiedehage
    Michael Wiedehage

    Da ich nicht so viel Lust habe mir solch ellenlange Kommentare durchzulesen, gehe ich einfach mal davon aus, dass du dazu auch kein Bock hast. Also will ich mich kurz halten. Mir bringt ein Tutorium so viel wie 10 Vorlesungen. In zahlreichen Vorlesungen sind 90% der Inhalte schlichtweg nicht klausurrelevant und nur abstraktes Geschwafel. Das resultiert darin, dass zu vielen Vorlesungen nichtmal ein Drittel hingegen. Achja, Timo’s 3. Punkt, dass nur eine entsprechende ausgebildete Person dazu in der Lage ist, gut zu lehren: ich finde das stimmt überhaupt nicht, die Tutoren habe solch eine Ausbildung ja auch nicht…

    1. Avatar von Timo Kötzing

      Doch, ich habe ganz, ganz viel Lust die Kommentare zu lesen, auch und gerade die langen! 🙂 Ich will die Diskussion, in 10 Gedankensträngen parallel, das geht hier mit den Kommentaren ganz prima.
      – Tutorien statt Vorlesungen: Ja, unbedingt! Sagt auch die Lehr- und Lernforschung (je nach Umsetzung nennt man das dann „Flipped Classroom“). Ich wollte man meine Vorlesungen grob abschaffen, kam bei den Studierenden nicht so gut an. Aber es stimmt, gute Tutorien sollten viel mehr in den Fokus kommen.
      – Zur Ausbildung zur Lehre: Das halten eines Tutoriums verhält sich zu „Lehre“ wie das Implementieren einer Methode zu „Softwarearchitektur“. Ja, TutorInnen können individueller nochmal etwas erklären, aber große Kurse didaktisch zu gestalten, mit heterogenen Studierendengruppen umgehen, Lernzielorientierung, solche Dinge werden besser mit Lehre-Hintergrundwissen und Erfahrung. Ganz schwierig: das Erstellen von Klausuren oder anderen Prüfungen, das ist für mich auch weiterhin der schwierigste Teil.

  7. Avatar von C
    C

    Ich bin vielleicht ein bisschen spät dran, aber mir geht es auch nicht um Mensaessen sondern um gute Lehre, und so hoffe ich, dass dieser Kommentar trotzdem noch Gehör findet. Ich will versuchen mich kurz zu fassen, mal schauen wie gut das klappt (edit: offenbar nicht so gut 😅):

    1. Vorab: Vielen Dank für dein Engagement – in dieser speziellen Diskussion wie im Allgemeinen! Bessere Lehre ist wirklich ein wichtiges Anliegen, um das sich noch zu wenige kümmern. Formate wie dieser Artikel sind eine gute Gelegenheit, mehr Beteiligung dazu zu fördern.

    2. Zweites Vorab: Das Bild, das du zeichnest, könnte man als „zu negativ“ bezeichnen. In meinem persönlichen Rückblick (momentan MA-ITSE im 6. Semester, ehemaliger BA-ITSE für 7 Semester) würde ich der Lehre, die ich besucht habe, insgesamt mindestens 4 von 5 Sternen geben. Es gibt hier sehr viele tolle Tutoren und Doktoranden und auch Dozenten wie dich, die sich sehr viel Zeit und Mühe für ihre Studierenden nehmen, dies ist sicherlich nicht selbstverständlich und sollte auch nicht untergehen. Gleichwohl ist es richtig, den Fokus immer auf das Verbesserungspotential zu legen.

    3. Meine eigenen Erfahrungen mit dem Lehrangebot, das ich besucht habe: Will ich hier mal als Beispiel kurz (edit: 🙄) schildern, um auf einige der Punkte einzugehen. Im Bachelor waren meine Erfahrungen zu Beginn recht durchwachsen, wurden dann aber ab dem 4. – 6. Semester immer besser und waren im Master auf konstant hohem Niveau. Woran lag es? Angefangen habe ich mein Studium mit der üblichen, vermeintlichem Normativitätsdruck geschuldeten Erwartung eines Regelstudienplans und 5-6 Kursen pro Semester, 55 Stunden/Woche und viel zu wenig Wochenende. Das war es einfach nicht wert. Multitasking und fehlende Pausen liegen mir nicht und führten dazu, dass ich einfach nur möglichst effizient den Stoff bewältigen wollte und musste, keine Zeit und Energie für Spaß oder Wissbegierde hatte. Das motiviert auch Abkürzungen wie Bulimielernen. Manche Kurse habe ich kein einziges Mal besucht und nur asynchron versucht, der Punkte wegen einigermaßen mitzukommen. Mitte des Studiums wurde es dann besser, als ich, wenn auch zunächst unfreiwillig, vom Regelstudienplan abgewichen bin. Auf einmal nur noch drei Kurse pro Semester! Ich kann mir zwei Tage am Stück nehmen, um mich ganz auf diese eine Vorlesung zu konzentrieren! Und wenn mich etwas fesselt, schiebe ich einen anderen Kurs auf nächste Woche und gönne mir ein Mini-Sabbatical! Wenn ich im Hörsaal sitze, denke ich nicht schon immer an die nächsten anstehenden Aufgaben oder versuche sie parallel zur Vorlesung zu bearbeiten, sondern kann mich häufiger auch ganz auf den Dozierenden konzentrieren! Von da an hatte ich das Gefühl, aufzublühen. Mit Ausnahme des Bachelorprojekts habe ich seitdem meine Belegungen auf 2-3 regulären Kursen pro Semester gelassen und bereue es in keinster Weise. Was ich damit sagen will: Die dem „System“ geschuldete Regelstudienzeit hatte in meinem Fall einen weitaus größeren Einfluss auf die Qualität der Lehrerfahrung als ich es mir durch individuelle Lehrende vorstellen kann. Glücklicherweise lässt das HPI mit 200% Regelstudienzeit hier viel Spielraum. Für Menschen, die sich ihr Studium komplett selbst finanzieren müssen, bleibt finanzieller Druck natürlich weiterhin ein Problem. Für alle anderen sollten wir zu Beginn des Studiums noch viel deutlicher machen, dass die Regelstudienzeit optional ist und diese auch denormalisieren.

    4. Was macht für mich die optionale Lehrveranstaltung aus? Ich sehe da rückblickend für mich kein globales Optimum. Seminarprojekte fand ich immer sehr toll, weil selbst aktiv sein, seinen eigenen Pfad wählen, etwas (sei es eine Software, ein Paper, ein Lehrvortrag) zu erschaffen mich stärker motivieren als das reine Stillen des Wissensdurstes. Bei Projekten kann man nur häufiger kritisieren, dass sie pessimistisch gesprochen zur Selbstausbeutung verführen – optimistisch gesprochen eine sehr weite Vertiefung ermöglichen. Man muss es nur mit dem eigenen Urlaub ausmachen, wenn die Fristen zu offen sind. Auf der anderen Seite habe ich aber auch einige sehr gute Vorlesungen gehört. Deren Begeisterung für mich (aus meiner Perspektive das sehr überwiegende Kriterium für Lehrqualität) korrelierte dabei sehr weitgehend invers zum fortgeschrittenen akademischen Grad der Lehrenden. Klassiker wie „Parallel Programming“ oder „Softwaretechnik II“ wurden weitgehend von Doktoranden konzipiert, vorbereitet, und gelehrt, in beiden Fällen war die Begeisterung der Teachingteams an der Vorbereitung der Vorlesungen spürbar und haben sich auf mich übertragen. Letzteres muss ich noch einmal besonders hervorheben, weil SWT II zugleich die interaktivste Vorlesung, die ich je gehört habe, und die beste im Onlineformat war – dozentisches Charisma gepaart mit regelmäßige Diskussionsrunden und Fragen an die Zuhörenden haben es einem nie langweilig werden lassen, wobei die Kursstärke von ~20 das sicherlich einfacher gemacht hat. tl;dr dieses viel zu langen Absatzes: Auch (gute) Vorlesungen fand ich wertvoll und konnte sehr viel daraus mitnehmen. Der Aussage „idealerweise gibt es null Vorlesungen“ würde ich also recht entschieden widersprechen. Wenn allerdings die Vorlesungsqualität nicht ideal ist, haben andere Lehrformen gute Chancen, besser dazustehen. Ich hatte allerdings auch schon Projekte, in denen das Klima schlechter war als in jeder Vorlesung. Es kommt also immer auf die Fähigkeiten und Motivation des Teachingteams an.

    4.1 Wahrscheinlich gibt und kann es in vielen Fällen auch einfach kein perfektes Matching zwischen Hörendem und Lehrendem geben. Theoretisch wäre eine freie Wahl des Lehrformats für jeden wohl am besten. Wenn mir der Lehrstil oder das -tempo einer Person nicht zusagen, freue ich mich über selbsterklärende Skripte, Videoaufzeichnungen mit anpassbarer Geschwindigkeit und grundsätzlich Dinge wie Quizzes, um die Verständnistiefe grob abzuschätzen. Deadlines für kleinere Aufgaben helfen gut dabei, dass man nicht alles hinausschiebt.

    5. Nur ganz kurz zum „Schweigevortrag“: Kann ich für mich nicht so erkennen, ich gehörte immer zu denjenigen, die EvaP mindestens eine halbe Stunde pro Kurs aufhatten und Lehrqualität wahrnehmen und diese (zumindest in anonymen Formaten wie EvaP) auch nachfragen.

    6. Das Lehren lernen/lehren: Finde ich definitiv gut und wenn ich Doktorand wäre, würde ich solche Angebote auch gerne wahrnehmen, vorzugsweise natürlich niedrigschwellig direkt am Campus und auch im Rahmen der Arbeitszeit anstatt als unbezahltes Hobby. Eine Art Zwang sehe ich hier allerdings auch nicht als geeignet an, wer kein Interesse oder keine Zeit für gute Lehre hat, wird auch aus solchen Angeboten nichts mitnehmen oder anwenden. Außerdem kann ich mir schwer vorstellen (auch wenn es lustig wäre), dass sich altgediente Professoren zu einer Lehrendennachschulung verpflichten lassen würden. Es geht also aus meiner Sicht eher darum, Freiräume und intrinsische Motivation für Lehrendenqualität zu schaffen. Sollte Lehrtätigkeit für jeden freiwillig sein? Das würde der Quantität des Angebots aber wohl im Wege stehen – an der Stelle bin ich leider raus, weil ich das System/“Pflichtenheft für Lehrstühle?“ (noch) nicht gut genug kenne.

    7. Bewertungen: Hm, persönlich wäre ich ziemlich enttäuscht gewesen, wenn es keine oder kaum echte Noten in meinem Studium gegeben hätte. Vielleicht liegt das an meiner Sozialisierung oder ich bin auch schon der extrinsischen Motivation durch Punkte erlegen, aber ein paar gute Noten am Ende des Semesters befriedigen mich, selbst wenn ich um eine eher geringe Notenspanne im Kurs weiß. In größeren Kursen kommt zumindest eine relative Selbsteinschätzungsfunktion dazu. Aber vielleicht sollte man es trotzdem mal ausprobieren ohne Noten. Gibt es sozialwissenschaftliche Evidenz dazu, wie sich das auf Motivation und Lernerfolg auswirkt? Von der pragmatischen Seite her fände ich Fake-Einsen zusätzlich recht fragwürdig, wenn dies Außenstehende mitbekommen und zurecht bemängeln. Dieser Blog hier ist übrigens auch öffentlich zugänglich. 🙂

    8. Prüfungen: Erstens zum Prüfungsformat, mit Klausuren bin ich nie so richtig warmgeworden. Sie prüfen m. E. zu sehr das Arbeiten in einer bestimmten Tagesform, unter Zeitdruck und mit einer unrealistischen Begrenzung von Hilfsmitteln ab. Projekte und mündliche Prüfungen fand ich da im Vergleich deutlich realistischer bzw. fairer. (In Nicht-Klausuren habe ich auch meistens besser abgeschnitten, aber woran das jetzt genau lag, weiß ich nicht, weil mein Klausurenanteil coronabedingt zufälligerweise auch mit meinem insgesamten Arbeitspensum korreliert hat.) Zur Idee „Alle Klausuren in einer Woche“: Da sehe ich, ohne weiteren Maßnahmen, auch vor allem das Risiko, dass Bulimielernen immer noch eine Option ist und genutzt wird. Und selbst wenn rechtzeitig gelernt wurde, bleibt das Problem, dass viele bei der vierten Klausur in vier Tagen wohl einfach nicht mehr 100% geben können werden. Zur getrennten Lehre und Bewertung: Klingt auch interessant, aber wie soll das praktisch funktionieren? So ein genauer Rahmenlehrplan (in „weicheren“ Fächern vielleicht noch relevanter als in Mathethemen) würde doch vermutlich einen großen Overhead erzeugen und den Spaß/die Freiheit bei den Lehrenden rausnehmen. Vielleicht auch hierzu nochmal als grundsätzlicher Gedanke: In der perfekten Welt, wo intrinsische Motivation auf beiden Seiten existierte, bräuchte es eigentlich auch keine Prüfungen, oder? Für mich sind sie in dem Kontext hauptsächlich eine Brücke zur „alten Welt“ und ermöglichen Dozierenden einen recht aussagekräftigen Benchmark zur Qualität ihrer Lehre.

    9. Wer soll Veranstaltungen anbieten? Wie schon weiter oben erwähnt, meiner Meinung nach: jeder, der intrinsisch motiviert ist, und immer mit aller nötigen Unterstützung durch (ebenfalls intrinsisch motivierte) Lehrerfahrene. Warum keine komplett gemeinsam durch MA-Studierende und Doktoranden organisierte Seminare anbieten? Das wäre vielleicht auch nur die logische Fortsetzung erfolgreicher Formate wie „Tutoren aus dem vorherigen Jahrgang“ oder „Seminar mit Lehrvorträgen“. Und sicherlich auch für die anbietenden Studierenden eine wertvolle Erfahrung!

    10. Vorlesungen duplizieren: Man könnte die Veranstaltungszuordnung auslosen, um strategische Dozierendenwahlen auszuschließen. Auf der anderen Seite wäre das ansonsten natürlich auch eine tolle Möglichkeit, über die jeder Studierende seine bevorzugte Lehrform (Vorlesung vs. Selbstlernen) wählen könnte. Zugegeben wären personell getrennte Lehre und Bewertung an der Stelle wiederum sehr sinnvoll. Abgesehen davon sind unterschiedlich Kenntnisstände durch rotierende Vorlesungen zwischen unterschiedlichen Jahrgängen bereits Realität, das Problem wäre also nicht komplett neu.

    So, jetzt ist es leider doch etwas länger geworden und etwas vom Thema abgewichen. Hoffentlich war trotzdem der ein oder andere Punkt interessant. 🙂

  8. Avatar von Till
    Till

    Ein offener Diskurs zwischen Lehrenden und Lernenden ist wichtig, um Raum für Wünsche, Anregungen und (konstruktive) Kritik zu schaffen. Die Art des Lernens ändert sich – heute haben wir durch digitale Technologien ganz andere Möglichkeiten der Wissensvermittlung als früher. Das heißt nicht unbedingt, dass die bisherigen Abläufe schlecht sind, aber man sollte zumindest darüber nachdenken, wo man sie verbessern, ergänzen und ja, ggf. ganz neu denken kann.
    Vorlesungen würde ich persönlich nicht komplett abschaffen. Es stimmt, in den Tutorien kann man einiges lernen. Die Tutoren können uns erklären, wie wir bestimmte Aufgaben lösen, aber nicht alle von ihnen haben so ein umfassendes Verständnis für die Themen und Zusammenhänge wie der Dozent, der bestenfalls auch noch Ahnung von Didaktik hat.
    Ein Skript als Vorbereitung auf die Vorlesung ist sehr hilfreich, um sich vorher schon mal im eigenen Tempo auf die neuen Inhalte vorbereiten zu können. Dabei ist aber klar, dass nicht jeder das Skript in der gleichen Tiefe versteht. Gerade für Erstsemester, die vorher nur den Lernprozess aus der Schule (meist Frontalunterricht) kannten, kann das Konzept des „inverted classroom“ eine große Herausforderung sein. Deutlich anspruchsvollere Inhalte und zusätzlich neue Lernmethoden – der Sprung von Schule zu Uni darf einen gerne fordern, aber möglichst nicht überfordern. Die Einführung dieser neuen Lehr- und Lernmethoden kann für beide Seiten einen großen Mehrwert mitbringen. Ziel des Studiums ist es ja nicht nur, den Wissenszuwachs zu maximieren, sondern auch das Lernen zu lernen.
    Die Informationsflut unserer Zeit führt zu sinkenden Aufmerksamkeitsspannen. In einer Vorlesung 90 Minuten am Stück konzentriert zuhören? Für viele ist das deutlich zu lang. Was hilft dagegen? Kurze Pausen zwischendurch, Abwechslung durch kurze Aufgaben, die Zuhörenden durch Fragen zum Mitdenken anregen oder doch einfach kürzere Vorlesungen? Auf jeden Fall ein Aspekt, der nicht vernachlässigt werden sollte. Nur weil es schon immer so war, heißt das nicht, dass es so bleiben muss.
    Das gilt auch für Klausuren bzw. Noten. Dadurch entsteht viel Druck, der einem teilweise den Spaß am Lernen nehmen kann. Ich hatte in der Schulzeit bis zur Oberstufe keine Noten. Das war angenehm, aber teilweise habe ich deswegen in manchen Fächern auch sehr wenig gemacht, weil es ja keine wirklichen Konsequenzen gab, die auf dem Zeugnis zu sehen gewesen wären. Noten können auch motivieren, sich anzustrengen, aber im Studium sollte diese Motivation ja sowieso eher gegeben sein als in der Schule, weil man sich hier frei dafür entschieden hat und hoffentlich das studiert, was einem Freude bereitet.

  9. Avatar von Timo Kötzing

    Ich diskutiere auch gerne noch ein paar Wochen weiter 🙂 Aber dann werde ich immer sporadischer rein schauen, und manchmal auch einfach keine Zeit für eine wohlüberlegte Antwort haben.

    Zu 3.: Ich höre es immer wieder, dass das große Problem in den ersten Semestern ist. Studieren will gelernt sein, es ist anders als die Schule, man muss sich erstmal dran gewöhnen. Hier möchte ich ansetzen und diesen Übergang etwas angenehmer gestalten, Freiräume schaffen, junge Menschen inspirieren.

    Zu schriftlichen vs mündlichen Prüfungen: Wenn ich eine mündliche Prüfung bewerten soll, ist das Ergebnis ganz viel Bauchentscheidung. Das finde ich blöd, ich möchte nicht Biases aufsammeln, wegen Herkunft, Geschlecht und so weiter, sondern möchte ja doch objektiv sein. Das finde ich bei schriftlichen Klausuren viel einfacher.

    Zu Prüfungen braucht man nur für die extrinische Motivation: Naja, die sind ja auch noch für andere Dinge da:
    (a) Feedback („du kannst Computergraphik“; „Logarithmengesetze kannst du nicht“; …).
    (b) Bewerten / Vergleichen („Wen stellen wir denn jetzt im kommenden Semester als TutorIn ein?“).
    (c) Zertifizieren von Wissen („Diese Person kann programmieren“).

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