Am Sonntag, dem 25. Juni, wurde der Schlussstrich unter das knapp 30-seitige vorläufige Drehbuch des neuen Erstifilms gezogen. „Erstialarm,“ so prangt es auf der ersten Seite. Doch das war erst der Anfang. Bevor die Kamera das erste mal loslaufen konnte, musste der über 60-stündige Dreh organisiert werden. Eine Mammutaufgabe, vor deren Größe einem schwindelig werden kann.
Man sagt ja immer, dass ein Film „produziert“ wird. Tatsächlich bezeichnet diese „Produktion“ aber nur den Dreh am Set mit Crew und Darstellern. „Und?,“ fragt sich jetzt der ein oder andere vielleicht, „das ist doch genau das, worum’s geht, nicht?“ Doch weit gefehlt! Der Dreh ist nur eine der vier großen Phasen der Filmumsetzung, und auch noch eine ziemlich kleine. Viel mehr Zeit nehmen meist Entwicklung, Vor- und Postproduktion in Anspruch.
Im ersten Blog beschäftigten wir uns mit der Entwicklungphase des „Erstialarms,“ zu deren Ende das Drehbuch geschrieben wurde. Damit landeten wir in der zweiten Phase, der Vorproduktion, also der Phase vor der Produktion. Das ist im Grunde ein Sammelbegriff für all die Arbeiten, die erledigt werden müssen, damit die Drehs starten können. Und zwar so, wie es im Drehbuch schwarz auf weiß steht. Die Besetzung der 28 Rollen oder die Gewinnung aller 7 Dozenten und Mitarbeiter waren dabei nur der Anfang. Für jede der knapp 50 Szenen mussten Termine gesucht, Komparsen gefunden, Requisiten besorgt, Fahrzeuge ausgeliehen, Spezialeffekte geplant, Locations entdeckt, Szenenbilder entwickelt, Stunts vorbereitet werden, und so weiter, und so fort. Gigantische Excel-Tabellen und Aufgabenlisten gingen um, und viele – auch die Darsteller – beteiligten sich, wo sie konnten.
Der Prozess begann mit dem Breakdown des Drehbuchs. Dabei wurde jede Szene in knapp 20 Kategorien heruntergebrochen, bspw. Spieldauer, Darsteller, Requisiten, Komparsen, Kostüme oder Spezialequipment. Einen Ausschnitt daraus seht ihr im Aufmacherbild. Gleichzeitig liefen schon die ersten Gespräche mit Crewmitgliedern und Darstellern an, die ihr Interesse angemeldet hatten. Dabei ging es nicht zu wie bei einem Casting; vielmehr diskutierten wir übers Drehbuch, über Erfahrungen, Wunschrollen und schließlich auch die Zeitplanung.
Die sollte sich noch als kritisch herausstellen. Insgesamt war für die Produktionsphase ein Monat eingeplant. Das sollte doch eigentlich reichen für einen 30-minütigen Kurzfilm, oder? Doch jedes neue Crewmitglied und jeder neue Darsteller brachte seine eigenen, teils ziemlich engen Zeitbeschränkungen mit. Daraus einen Drehplan zu erstellen, dessen Szenenabfolge zeitlich möglichst optimal ist, und irgendwie auch noch die HPI-Mitarbeiter mit einzubeziehen, das war ein riesiges Optimierungsproblem, das wir nur Stück für Stück lösen konnten. Als die Kamera dann das erste mal lief, wussten wir noch nicht, was drei Wochen später auf dem Drehplan stehen würde. Und zum Ende hin wurde die Zeit auch ziemlich knapp – nur durch eine unwirkliche Menge an Glück und praktischen Zufällen schafften wir es gerade noch so, alle angesetzten Szenen bis zum anvisierten Drehschluss am 13. August abzudrehen.
Doch zurück in den Juli. Jetzt, wo die Besetzung und der erste Zeitplanung standen, ging es an die eigentliche Vorproduktion. Das hieß vor allem erst einmal Kommunikation. Nicht nur intern, also das typische Wer-macht-was, sondern besonders auch extern mussten wir mit vielen Leuten zusammenarbeiten. Es gab Tage, da gingen weit über 15 rein filmbezogene Mails hin- und her. Requisiten, Räume, Anschaffungen, Technik, Terminabsprachen mit Externen und sogar das berühmte HPI-Schaf… die Liste der Themen könnte so weitergehen.
Wir erledigten im Grunde viele kleine, oft voneinander unabhängige Aufgaben. Deswegen ist es schwierig, gut davon zu erzählen, und ich möchte den Film auch nicht spoilern. Aber ein paar kleine Highlights der Vorproduktion kann ich euch dann doch nicht vorenthalten.
- Insgesamt spielten zusätzlich zu den vielen Darstellern noch einmal mehr als 30 Komparsen im Film mit – die wir in endlosen Mailkaskaden natürlich erst finden und motivieren mussten. Als das irgendwann Überhand nahm, fingen wir an, für jede neue Komparsenrolle erst einmal die bisherigen Komparsen anzufragen, ob sie nicht noch Lust auf einen zweiten Auftritt hätten. Wer einmal reingerutscht ist, der konnte sich also sicher sein, wieder umworben zu werden.
- Zwischenzeitlich kamen ein paar von uns auf die nicht ganz ernst gemeinte Idee, HPI-Mitarbeiter mit Sprüchen wie „jegliche Ähnlichkeit zu real existierenden Personen ist rein zufällig“ und „Prof. Meinel gespielt von Prof. Meinel“ zu ihrem fiktionalen Auftritt zu überzeugen.
- Vor dem Hörsaalgebäude rollten wir den roten Teppich aus – also fast, nur ohne Teppich, dafür aber mit grandiosen Absperrseilen, die das HPI aus irgendeinem Grund vorhält.
- Gefühlte Tonnen an Erstimappen und deren Inhalt besorgte uns die ÖA glücklicherweise schon für die Drehs; ein paar wenige von ihnen wurden ganz schön in Mitleidenschaft gezogen und sind jetzt im FSR-Büro in einer Sonderausstellung öffentlich zu bestaunen.
- Im Fachgebiet HCI von Prof. Baudisch verwandelten wir „das Lab“ in einen ganz fremden Ort und ließen den Touchfloor dank der hilfsbereiten Doktoranden nur für den Film wieder zum Leben erwachen.
- Für alle Studierenden des HPI veranstalteten wir das große Filmklub-FuV-Sommerfest-Aftershowgrillen – und das alles, nur um eine im fertigen Film wohl einminütige Szene zu drehen.
- Schließlich musste für eine ganz andere Szene ein Hörsaal seine sonst so penibel gepflegte Hygiene verlieren – seid gespannt, wie. Mate-Kästen fanden wir am HPI jedenfalls genug.
Welchen Aufwand wir betrieben, um das mit Abstand komplizierteste Set des gesamten Films zu bauen, möchte ich aber noch nicht verraten. Lasst euch überraschen!
Weitere Artikel der Reihe:
So entsteht der Erstialarm – Teil 1: Vom Brainstorming zum Drehbuch
So entsteht der Erstialarm – Teil 3: Ton! Läuft! Kamera! Läuft! Und Bitte!